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Es gibt keine Beziehungen

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Anzahl Kommentare: 1 Kommentar

Wie ja den Menschen in meinem Nahfeld und mittlerweile vielleicht auch der Leserschaft bewusst ist: Ich halte eine Menge „Wahrheiten“ für konstruiert, und finde es oft spannend bis augenöffnend, andere Perspektiven einzunehmen. Nicht, weil das dann plötzlich der Weisheit letzter Schluss ist, sondern weil man dann merkt, dass man auf ganz andere Gedanken kommt, und neue Gedanken sind spannend.

Ein solcher Perspektivwechsel, den ich hilfreich finde, ist die Leugnung von Beziehung.

Ich weiß nicht, seit wann Menschen die Idee haben, dass es ein Etwas zwischen Personen gibt – obwohl das interessant wäre… Sehr gestärkt wurde diese Idee aber durch die Systemiker, also Leute wie Salvador Minuchin, Mara Palazzoli, Niklas Luhmann und viele andere: es gibt nicht nur Leute, es gibt ein System, in dem sie sind, ähnlich wie ein Raum oder auch ähnlich wie Strippen zwischen den Personen. Es ist auch ganz viel nützlich an dieser Idee, sie ermöglicht Gespräche über diesen Raum und diese Strippen, und das ist klasse. Auch diese Idee ist gut, um auf neue Gedanken zu kommen.

Aber wie bei jeder Metapher gibt es Nebenwirkungen, die umso schlimmer sind, je mehr die Metapher für Wahrheit gehalten wird. Eine Nebenwirkung der Idee „Es gibt eine Beziehung“ ist, dass es deutlich komplizierter wird. Es ist dann beispielsweise denkbar, dass zwei Menschen etwas tun, was gut „für die Beziehung“ ist, was aber im Grunde für beide Beteiligten schlecht ist.

Ich zum Beispiel kenne ganz gut den Stress, dass ich „Beziehung“ nicht gut mache, dass ich die Anforderungen, in Beziehung zu sein, nicht erfülle und mich mehr so verhalten sollte, wie man das in Beziehung eben so macht. Ätzend…

Eine simplere Betrachtung entsteht durch die Verleugnung des Beziehungsraums oder der Beziehungsstrippen: es gibt einzig und allein zwei Menschen, die handeln und fühlen.

Ich finde das vor allem in Liebesbeziehungen höchst hilfreich: einmal den gordischen Knoten zerschneiden, in dem Sätze möglich sind wie „Unsere Beziehung leidet gerade“ oder „Ich tue das für unsere Beziehung“ oder „ich möchte, dass unsere Beziehung sich weiterentwickelt“.

Was dann übrig bleibt, sind Fragen nach den Leuten: was gefällt mir gerade nicht? Was würde ich gern tun oder fühlen? Welche Möglichkeiten habe ich gerade nicht, obwohl sie mir wichtig wären? Was denke ich über mich und die andere Person?

Auch für meinen eigenen Stress ist das immer gut, wenn es mir gelingt, so da drauf zu schauen. Will ich gerade was verändern? Lebe ich etwas nicht, das mir am Herzen liegt? Tue ich Dinge, die mir nicht entsprechen? Wie geht es der anderen Person? Ist sie einverstanden mit den Sachen, die wir tun?

Das ist so schön handfest. :)

Kommentare

  • Interessante Gedanken.

    Passend dazu las ich erst neulich einen Artikel von einer Psychologin zum Thema Beziehungen in dem sich – für mich persönlich erstaunlicherweise – herauskristalisierte, dass viele Menschen scheinbar garnicht so genau wissen was sie eigentlich wollen.
    Da kommen Rollenbilder o.ä. natürlich sehr gelegen, die einem scheinbar einfach sagen was zu tun ist.

    Auf der anderen Seite gibt es natürlich viele damit zusammenhängende Themen, u.a. Verantwortung (was ja zumindest bei mir nicht immer das ist, was man gerne tut und insofern ein gewisser „Zwang“ unvermeidbar ist imo), Traditionen (überhaupt nicht mein Ding, aber gerade für konservative Menschen sehr wichtig) und letztendlich auch Gemeinsamkeiten oder gerade das fehlen davon, dass meiner Beobachtung nach, viele Paare durch die Standard-Beziehungsführung kaschieren wollen, was manchmal klappt (da Menschen mitunter etwas anderes in einer Beziehung suchen, z.b. Bestätigung, Familienplanung, Haushaltsführung etc.), öfter aber dann auch irgentwann im Trümmerhaufen endet.

    Ich denke im Endeffekt hilft es nur ehrlich zu sich selbst zu sein und sich dann einen Partner zu suchen, der einerseits vielem entspricht was man in einer Beziehung sucht und andererseits vll. auch eine Person ist, die diese Art von Gedanken, wie die Hinterfragung gesellschaftlicher Normen auch versteht und bereit ist darauf einzugehen, anstatt das völlig abzublocken und mit Unverständnis zu begegnen.
    So etwas ist natürlich immer leichter gesagt als getan.

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