Gute Männer
Scheinbar ist heute internationaler Männertag, und in Bielefeld, meiner Heimat, hat ein Mann eine Frau mit Benzin übergossen – aber glücklicherweise nicht angezündet. Die Headline in der Zeitung lässt das klingen, als verdiente er dafür Anerkennung.
Tatsächlich ist das aber selbstverständlich absolut abscheulich und genau die toxische Scheiße die im Kleinen tagtäglich passiert.
Vielleicht ein guter Anlass, mal einen Gedanken zu teilen der mich manchmal beschäftigt.
Ich denke manchmal, wir brauchen ein Übergangs-Männerbild. Eigentlich bin ich der Überzeugung, der Genderkram könnte insgesamt eine viel kleinere Rolle spielen, aber gleichzeitig glaube ich, Männern wie dem oben beschriebenen Arschloch muss ich nicht mit Judith Butler kommen… Die Diskurse aus der Gender-Ecke verfangen überhaupt nicht bei den Männern, die sich am dringendsten ändern müssten (und bei den altmodischen Frauen die sich bemühen eine Tradwife zu sein auch nicht).
Für diese Männer hätte ich manchmal gern dieses Übergangs-Männerbild (das in Wirklichkeit ein Menschenbild ist, heimlich kann man alle Aussagen mit „Gute Menschen“ oder „Gute Mitbürger:innen“ beginnen lassen statt mit „Gute Männer“. Here goes:
- Gute Männer übernehmen Verantwortung für ihre Umgebung und die Leute um sie rum. Wenn es jemandem schlecht geht, wendet ein guter Mann sich zu und bietet Hilfe an.
- Gute Männer sind in Partnerschaft verlässlich und ehrlich.
- Gute Männer sind gute Gastgeber und wenn sie führen, tun sie dies als Gastgeber: bieten den anderen Möglichkeiten und sorgen dafür, dass alle auf ihre Kosten kommen.
- Gute Männer sind gute Freunde, sie haben Interesse an ihren Freundinnen und Freunden und zeigen das auch.
- Gute Männer sind gute Liebhaber, sie wissen was der anderen Person gefällt weil sie sie gefragt haben und übernehmen Verantwortung dafür, dass alle eine gute Zeit haben.
- Gute Männer helfen anderen Männern dabei, das richtige zu tun. Wer zerstört, andere stört, belastet oder ihnen Schaden zufügt, wird aufgehalten und zur Rede gestellt.
- Gute Männer bewahren den Planeten und übernehmen Verantwortung für ihr Handeln auch in Bezug auf das Klima, weil Verantwortungslosigkeit nicht männlich ist.
So, hier die Vorschläge. Bewusst bleibe ich in der Nähe von klassischen männlichen Ideen (Verantwortung, Führung), damit es anschlussfähig bleibt. Problematisch ist einerseits, wie schon gesagt, dass das in der Logik von zwei Gendern bleibt und eigentlich sind „wir“ schon weiter (aber: welches wir?). Andererseits, und das stört mich noch sehr, wirft diese Art darüber nachzudenken die Frage auf, was dann „unmännlich“ ist. Sind Frauen unmännlich?
Natürlich nicht. Wie ebenfalls schon gesagt, geht es eigentlich um gute Menschen.
Aber ich kann mir nicht helfen, ich würde so gern Männern die rumpöbeln oder ihren Müll rumschmeißen oder im Zug laut sind, denen würde ich so gern sagen „Hey, echte Männer übernehmen Verantwortung für ihre Umgebung, was macht ihr da?“
Zum einen weil ich es für wirksam halte, weil es an die vermutete Lebensrealität dieser Männer andockt, aber auch aus einem Gefühl heraus dass mich dieses Verhalten auch nervt, während ich selbst ein Mann bin. Diese Art von Männlichkeit läuft mir zuwider, man kann anders ein Mann sein in dieser Gesellschaft die Menschen in Männer und Frauen einteilt, und hot damn, ich will dafür einstehen dass andere Leute (in this case Männer) nicht so kacke sind und sich so daneben benehmen.
Jonathan Harth
sagt:Lieber Jan,
vielen Dank für diese wertvollen Gedanken und Ausführungen. Das ist alles so richtig und wichtig und beschäftigt mich auch schon länger. Vor allem in Zeiten wie diesen, die durch so arge Vereinsamung (Bericht der Bundesregierung), „Arschlochisierung“ (Tadzio Müller) der Gesellschaft geprägt scheinen. Dazu noch die von dir genannte Gewalt. Mir fällt in dem Zusammenhang auch immer ein, dass ja eigentlich die vielen Superhelden-Filme ein gutes Role-Model geben müssten, wenn man Spidermans Dogma „Mit großer Macht kommt große Verantwortung“ folgen würde. Aber vielleicht befeuern diese Filme auch einfach nur auf der unmittelbaren Ebene die pragmatische und irgendwie auch selbstjustize Zerstörung und Gewaltanwendung… Ich weiß es nicht.
Jedenfalls frage ich mich oft, wie man diese von dir genannten Werte und Haltungen wohl eigentlich am besten verbreiten könnte.
Alles Gute für dich und liebe Grüße von einem bislang stummen Leser
Jonathan
jan
sagt:Spannende Idee! In den Superhelden-Erzählungen wäre doch auf jeden Fall Platz für eine Erweiterung, nicht immer nur die Welt retten, sondern auch mal achtsam und verantwortungsvoll im Nahfeld (denn da gibt es ja schon auch wieder viele Superhelden die auch aus der Bindung stehlen oder Partnerinnen im Stich lassen, glaube ich, und damit „schlechte Männlichkeit“ reproduzieren. Danke fürs bisherige stille Lesen und natürlich auch fürs eben nicht mehr stille Schreiben!
ben_
sagt:Poah ja, nach über einem Jahrzehnt – in dem Genderpolitics sowohl für mich persönlich als auch als Agenda der Linken, so sehr im Fokus standen – ist es eeecht hart, solche Aussagen zu lesen, wie Du sie oben aufgeschrieben hast. Da sträubt sich innerlich alles, in alle Richtungen.
Andererseits hast Du befürchtungsweise völlig recht. In mehreren Analysen der New York Times stand, dass der Fokus der Democrats auf Identity- und Gender-Politics, die Parteo und Harris für viele praktisch unwählbar gemacht haben. Eine Beobachtung, die ich im eigenen Bekannten- und Familienkreis auch beobachten kann. Nicht bei Freund.innen. Die haben sich alle in den letzten 10 Jahren in die gleiche Richtung bewegt. Aber eben den Rest haben wir eben nicht wirklich mitgenommen. Vielleicht hilft da ein Übergangs-Männerbild. Aber für mich selbst klingt jeder Versuch, das zu formulieren, irgendwie falsch … Catch-22 …
jan
sagt:Ja, ich bin selber auch teilweise unzufrieden, dahin denken zu müssen. Wobei ich andererseits auch wichtig finde, Ideal und Realität nicht zu verwechseln, es gibt so eine linke Tendenz, das Ideal einfach herbei zu entscheiden, so nach dem Motto „wer jetzt noch von Männern und Frauen spricht, lügt eigentlich“, und ich stimme dem Ideal zu, erlebe aber natürlich auch die Gesellschaft und ihre Internalisierung in mir, und da bin ich eben Cis-Mann und wie andere Cis-Männer sich benehmen fühlt sich so an, als hätte das was mit mir zu tun, und damit bin ich sogar einverstanden.
Ist ja auch total dran, dass Männer aufstehen und was sagen, wenn Männer kacke sind, wird zu Recht oft gefordert, und wenn man aber innerlich schon total bei „wieso Männer, an sowas glaub ich gar nicht“ ist, hat man eigentlich wieder keine Verantwortung übernommen.