Zum Inhalt springen
Kategorien:

Herrschaftszeiten

Beitrags Datum:
Autor:
Schlagwörter:
Anzahl Kommentare: keine Kommentare

Ich bin im Winter den Grünen beigetreten und habe auch am Wahlkampfstand gestanden (und bevor ihr fragt: die Übernahme des Migrationsthema durch Robert Habeck fand ich kacke, nach meinem Empfinden fanden das viele kacke und Robert hat das auch ein Stück weit korrigiert, es bedarf weiterer Korrektur).

Am Wahlkampfstand haben Menschen teilweise sehr offen gesagt, dass sie AfD wählen, was mich verdutzt zurückgelassen hat. Da waren sehr unterschiedliche Leute dabei, aber eins hatten doch viele gemeinsam: Das waren alles Leute, bei denen ich dachte, die schauen nicht gut auf andere, die schauen innerhalb ihrer eigenen Domäne. Es war nicht so sehr ein Egoismus, den ich als „ich bin wichtiger als andere“ übersetze, sondern eher die Unfähigkeit zum Altruismus, die ihnen aus der Abweisung sprach. Das sind Leute, die kommen nichtmal drauf, dass es die altruistische Option gäbe.

Ich muss an einen Schulkameraden von mir denken, wir waren vielleicht 15, und ich hatte die Bahlsen-Kekspackung für meine Freunde hingestellt, und besagter Kamerad griff sich einen Biaritz nach dem anderen – ihr wisst schon, die offensichtlich besten Kekse aus der Mischung, diese runden, hauchdünnen, mit Schokolade und ein paar Kokosraspeln. Ich meinte dann so, ey, du isst die ganzen besten Kekse alleine, worauf er so:

„Wieso, willst du etwa?“

und hielt mir den Keks hin. Als ich Ja sagte und zugreifen wollte, zuckte er noch kurz weg.

Er hat mir den Keks am Ende überlassen, aber ich war damals schon erschrocken, wie im engeren Wortsinne asozial man sein kann.

Jedenfalls, diese Leute also: steigen in ihre hochmotorisierten Schlitten, kaufen den billigsten Scheiß, wollen in ihrem Eigenheim keine Regeln außer den eigenen. Unabhängig vom Wohlstandsniveau gibt es diesen Typ Mensch: Es gibt nur das Ich.

Ich glaube, diese Leute sind mit Politik eigentlich nicht gut zu erreichen, denn Politik beantwortet in meinen Augen immer die Frage: Was für eine Gesellschaft wollen wir haben? Ich zumindest wähle sehr deutlich die Partei, die eine Gesellschaftsvision bietet, die ich cool finde. Ich wähle nicht die Partei, die mir persönlich am meisten bringt – das wäre Egoismus, und wenn die AfD-Wähler egoistisch wären, würden sie nicht die AfD wählen, denn deren politisches Programm bringt den meisten überhaupt nichts.

Es ist vielmehr so, dass AfD-Wähler das wählen, was so ist, wie sie selbst sind: Egomanen, denen jede Form von Altriusmus abgeht. Hier erkennt sich der Wähler also in der Präsentation wieder, er wählt nicht das politische Programm, er hat einen Lieblingsverein, er ist Fan von den Leuten, die das aussprechen und vorleben, was er in sich selbst wahrnimmt. Die Partei legitimiert quasi das eigene Arschlochsein.

Insofern, glaube ich, geht es eben gar nicht mehr um Politik sondern um Herrschaft: Die Leute, die so sind wie ich, die sollen gewinnen, die sollen mächtig sein. All das politisch ist mir zu langsam, zu wirkungslos, hat mir persönlich nie etwas gebracht.

Offensichtlich gilt das 1 zu 1 auch für Trump und seine Schergen und deren Wähler, da ist es sogar noch deutlicher zu sehen, was passiert wenn es tatsächlich in Herrschaft endet: Trump ignoriert Politik, er hat kein Interesse an der politischen Gestaltung der Gesellschaft, er möchte herrschen. Gerichte, Gesetze, alles nur lästige Kletten die seine asozialen (nicht direkt antisoziale, sondern wirklich asozial im Sinne von „kein Vorhandensein von sozial“) Pläne bremsen.

Genauso, wie Klimaschutz den Hausbesitzer behindert, ein Tempolimit den BMW-Fahrer behindert, wie überhaupt alle Regeln, die gut für alle sind, naturgemäß nicht die beste Regel für jeden einzelnen sind.


Wo anfangen mit einer Lösung? Ich bin gerührt und frustriert, dass immer noch alle probieren, mit politischen Mitteln, also innerhalb der Regeln, dem Problem beizukommen. Frustriert, weil ich glaube, mit Egomanen denen alle anderen egal sind ist das sinnlos. „Ich will für mich das meiste, die anderen sind mir egal“ ist keine Haltung, die auf „Lass uns nochmal überlegen ob das fair ist“ irgendwie ins Gespräch gehen sollte.
Gerührt bin ich, weil es ja auch nicht sein kann, dass „wir“ ebenfalls alles drangeben: Ich will weiter für eine starke Zivilgesellschaft, für politischen Diskurs, für Debatten und Kompromisse einstehen, weil es nunmal für alle das beste ist.

Meine persönliche Lösung ist mehr zivilgesellschaftlches Engagement. Mein Parteibeitritt ist für mich gar nicht so sehr politisches Instrument, ich sehe mich da (noch) nicht in Gremien oder sowas. Aber ich will mit Gleichgesinnten sein, ich will in Keimzellen sein für eine gute Gesellschaft. Ich will das in meinem Sportverein bauen, bei meiner Arbeit, ich will dafür einstehen, dass sich ein Miteinander lohnt und will das nicht nur krakeelen auf Demos oder unterzeichnen in Petitionen, ich will das in die Welt bringen und will außerdem gern Leute damit anstecken. Baut die Welt! Auch das ist schwer, wenn es Leute gibt, die Dinge einreißen, einfach weil sie nicht vom „eigenen Verein“ sind. Windräder fallen einem direkt ein. Aber das Denken in zwei Lagern ist schon Teil des Problems, das ich ja genau beschreibe, da will ich nicht mitmachen, es ist nicht „wir“ gegen „die“, es ist der Entwurf einer Gesellschaft für alle.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert