Horizon Zero Dawn
Zum ersten Mal seit ewig gefällt mir ein Open-World-Spiel! GTA hat mich genervt, und selbst das umjubelte Witcher hat mich null interessiert. Zu viel Gedöns, lauter Quatsch den man tun kann, das hat mich alles kalt gelassen.
Matriarchat, Hard Science-Fiction und Schönheit
Sowohl die Geschichte wie auch die Welt von Horizon Zero Dawn sind wie für mich gemacht. Es findet statt in einer unbestimmten Zukunft, in der die Spuren unserer heutigen Zivilisation überwuchert sind – sowohl von Grün wie von einer neuen Kultur. Gelegentlich entdeckt man zwischen Bäumen und Sträuchern rostige Überbleibsel von Autos, Ampeln, gelegentlich mal einen Panzer, später die Ruinen von Häusern. Durch diese (wirklich atemberaubend schön anzusehende) Welt ziehen auch Roboter, deren Herkunft unklar ist, aber ihre Maschinen-Ästhetik steht in so starkem Kontrast zur restlichen Welt, dass man sie der untergegangenen Zivilisation zuschreibt.
Spannend ist, dass das klappt… Diese offensichtliche Jungs-Fantasie (Roboter! Dinos!) wirkt nicht platt, sondern ist hochinteressant. Ich glaube es liegt daran, dass die Welt sich so schlüssig anfühlt, und man darauf vertraut, dass es tatsächlich einen guten Grund gibt, den man herausfinden will. Und diese Mischung aus Tribal Culture + Science Fiction ist genau mein Ding.
Aloy, die Protagonistin, ist seit ihrer Geburt aus ihrem Stamm verstoßen. Sie lebt mit ihrem Ziehvater Rost in der Wildnis und hadert mit ihrem Schicksal. Die ersten paar Stunden des Spiels drehen sich darum, dass sie überhaupt erstmal rausbekommt, wieso sie verstoßen wurde, und die sich ergebende Geschichte ist tatsächlich interessant.
Keine doofe Gangster-Geschichte, keine klassische Fantasy-Welt, das hat man doch alles schon tausend Mal gehört. Stattdessen gibt es ganz ungewöhnliche Ideen, und bei mir eine wirklich große Neugier, wie es weiter geht.
Die Hauptfigur ist eine Frau – die Entwickler haben dazu in einem Interview Mal gesagt, dass es eine Faustregel dazu gibt, wieviel weniger Umsatz man macht, wenn man keine männliche Hauptfigur anbietet. Offensichtlich verhindert das tatsächlich den Kauf für einige Leute… Die Entscheidung für Aloy jedenfalls ist mir sofort sympathisch. Tolle Hauptfigur, tolle Frau, ohne Zögern empfähle ich sie weiblichen Kindern um mich rum als gutes Vorbild und ihren Töchtervätern gleich mit.
Dann auch gleich der Spagat: sie ist aus dem Stamm der Nora ausgeschlossen worden, allerdings ist der Stamm ein Matriarchat. Insofern ist sie einerseits Underdog, andererseits als Frau auch Teil der upper class. Jenes ist übrigens spannend und subversiv dargestellt: erst als ich das Gebiet der Nora verlassen hatte, fiel mir auf, dass die Männer plötzlich Macker sind, und dass vorher häufig auf Tanten und Mütter verwiesen würde („Sprich unbedingt mit meiner Tante, sie kann dir sicher helfen!“). Ich dachte zuerst, die Entwickler hätten einfach insgesamt darauf verzichtet, Sexismus darzustellen, aber außerhalb der matriarchal geprägten Gebiete wird es gleich wie immer: Männer behandeln Aloy von oben herab, wissen es besser, nehmen sie nicht ernst und sprechen sie als potentielle Partnerin an. Aber durch den Start merkt man, dass das keine geistlose Reproduktion der Diskurse ist, sondern sehr bewusste Gegenüberstellung.
Atmosphäre und Charakter
Das Spiel bietet einen Photo-Modus, und das erste was ich gemacht habe, waren Portraitphotos von Leuten, die ich getroffen habe. Weil sie interessant sind… Das ist mir noch nie passiert. Weder waren Spiele bislang so schön, dass ich Photos machen wollte, noch waren Nebenfiguren bislang auch nur im Ansatz so interessant, dass ich sie portraitieren wollte.
Selbst die erste „Fetchquest“ (also eine Spielaufgabe, wo man etwas zu jemandem bringen soll, ein mittlerweile ziemlich überaltertes Versatzstück der Videospielkultur) hatte eine überraschende Wendung. Die Sache, die ich besorgen sollte, war nicht dort, wo sie sein sollte – der Spur dieser Abwesenheit folgend entdecke ich eine Gruppe von Leuten, die eine parallele Gesellschaft von Ausgestoßenen begonnen haben und gerate in einen der spannendsten Kämpfe, die ich bis dahin hatte.
Ach ja, der Kampf… Selbst der Kampf hat Charakter! Er ist abwechslungsreich durch eine Vielzahl von Werkzeugen, mit denen ich die Maschinen festbinden, auseinandernehmen, in Brand setzen und betäuben kann. Und halt draufhauen. Diese Kämpfe fühlen sich angenehm dynamisch an, wirklich wie ein Kampf, in dem man alles in die Waagschale wirft, was man so hat, und am Ende gewinnt man nicht, weil man besser ausgerüstet war, sondern weil man die richtigen Entscheidungen getroffen hat.
Insgesamt haben es Guerilla Games am diversen Stellen geschafft, die Erwartungen an ein solches Spiel zu irritieren. Eine Frau, aber im Matriarchat, aber verstoßen. Eine Jungswelt mit Dino-Robotern, aber so lebendig und überzeugend, dass man die Plumpheit dieser Idee schnell vergisst. Kämpfen als Entscheiden. Fetchquests zum Storytelling.
Ein großer Wurf.
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