Sprachen lernen

Ich fand es immer toll, Sprachen zu lernen – dabei reise ich gar nicht so gern… Aber ich lerne einfach gern dazu, und bei Sprachen ist der Nutzen so wunderbar offensichtlich, und noch dazu ist jede neue Sprache eine neue Wirklichkeitskonstruktion.

Heute morgen habe ich ein Video gesehen, in dem Chris Lonsdale (Psychologe und Linguist) darüber spricht, dass es möglich ist, innerhalb von 6 Monaten fließend eine neue Sprache zu lernen. Er benennt dafür 5 Prinzipien, die aus der Forschung bekannt sind, und 7 Aktivitäten, die daraus folgen.

Relevanz

Es gibt einen engen Zusammenhang zwischen Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Bedeutung und Relevanz. Leuchtet aus der Schulzeit sofort ein: ich passe besser auf und merke mir Sachen besser, wenn sie relevant sind für mich. Heißt: irgendwelche Vokabellisten pauken mit Themen, die mich null interessieren, bringt gar nichts. I’m looking at you, Europäischer Referenzrahmen A2 mit deinen blöden Wegbeschreibungen… Dritto, dritto, dritto, pff.

Werkzeug zur Kommunikation

Um eine Sprache zu lernen, muss man sie als Werkzeug einsetzen – nicht als theoretische Büffelei. Wenn wir etwas tun, üben wir es ein, es geht uns in Fleisch und Blut über. Das ist beim Sport so, bei Instrumenten, im Tun passiert es. Also: sofort benutzen die Sprache, und kommunizieren.

Erstmal die Botschaft verstehen

Auch wenn ihr vielleicht nicht alle Worte versteht, wenn jemand sagt „Sono tanto furioso!“, wenn dazu Gestik und Mimik passiert oder vielleicht auch passende Emoji, habt ihr ne gute Chance, die Message an sich schon zu kriegen.

Sono tanto furioso!! ???

Italienisch

„Comprehendable input“ ist der Schlüssel, dann saugt man die dazugehörigen Worte nach und nach auf. So wie es Babys halt auch machen.

Physiologie

Spannender Punkt: eine Sprache zu sprechen ist ein körperlicher Prozess. Merkt man ganz gut beim englischen „th“ oder dem Deutschen „ch“. Da braucht es Muskeln für (nicht im Sinne von super stark, sondern im Sinne von richtig ansteuern), und dafür braucht es Übung!

Der Zustand ist wichtig

Unter Stress oder unter Langeweile lernt es sich nicht gut. Insbesondere ist beim Sprachenlernen wichtig, sich von vornherein mit dem Gefühl von Ambiguität anzufreunden, der Zustand von „ich weiß gerade echt nicht so richtig worum es geht aber ich mach mal weiter“ gehört dazu. Bei diesem Punkt habe ich am wenigsten gut verstanden, was das konkret bedeutet, muss ich sagen…


Die 7 Aktivitäten, die daraus folgen, sind sehr einleuchtend:

  1. Viel zuhören! Und zwar am besten bei Sachen, die relevant sind für einen selbst.
  2. Erstmal versuchen, die Botschaft zu verstehen, nicht jedes Wort.
  3. Mixen ist gut! Wenn ich 5 Nomen, 5 Adjektive und 5 Verben kenne, kann ich 125 Sachen sagen!
  4. Fokus auf den Kern legen. Man braucht nur 1000 Worte, um 85% einer Sprache zu verstehen. Also keine verrückten Wörter sammeln, sondern die wichtigen Basics.
  5. Sichere Umgebung, am besten ein Sprach-Elternteil, also jemand der das macht, was Eltern mit Kleinkindern machen: Fehler nicht verbessern, sondern nur mit korrekter Sprache bestätigen, Wörter benutzen die man versteht, bereit Mühe zu investieren, um einen zu verstehen.
  6. Mimik kopieren! Das bildet die Muskeln aus!
  7. Direkte Verbindungen statt Übersetzungen, also nicht „fuoco→Feuer→?“ sondern „fuoco→?“

Ich finde das super. Ich hatte irgendwann schonmal gehört – passend zu Aktivität 4 – dass eine normale Tageszeitung nur 500 verschiedene Worte benutzt. Fünfhundert! Wenn ich jeden Tag 5 Worte lerne, kann ich nach gut 3 Monaten eine Zeitung in einer neuen Sprache lesen! Ich hab mich dann gefragt, was wohl die Worte wären, die man braucht, und welche 100 wohl die ersten wären, mit denen man im Alltag klar kommt… Es gibt da sogar Listen über die häufigsten Wörter des Deutschen, die sind nicht schlecht. Für Kinder sind aber natürlich andere Dinge relevant als für uns Erwachsene, und es ist zum Beispiel für eine geflüchtete Frau aus Syrien auch anderes Vokabular wichtig als für einen Austauschstudenten aus Finnland.

Chris Lonsdale empfiehlt, mit Sätzen anzufangen wie „Ich lerne Deutsch“, „Ich verstehe nicht“, „Was ist das da?“, dann im zweiten Schritt Pronomen, häufige Verben sowie einfache Nomen und Adjektive zu lernen, und im dritten Schritt „Klebewörter“ wie und, aber, oder zu lernen.

Ich glaube genau das schlaue ist, eben nicht feste Listen zu haben, sondern mit „Was ist das da?“ Worte zu sammeln, die tatsächlich relevant sind. Aber irgendwann will ich auch gern mal eine Liste machen mit 100 nützlichen Wörtern/Wendungen, und die dann in mindestens 5 Sprachen können! Einfach um in anderen Ländern erstmal klarzukommen… Wenn noch jemand Sprachen kann jenseits von Deutsch, Englisch und Italienisch, schreibt sie gern in die Liste!

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