Whataboutism

Als weitere häufige rhetorische Figur, über die ich mich ärgere, heute mal der Whataboutism.

Dass Frauen für die gleiche Arbeit weniger Geld bekommen als Männer finde ich ungerecht.

Ja, aber was ist denn mit den höheren Strafen vor Gericht für Männer? Das ist ja wohl auch nicht richtig.

„But what about XYZ!?!“ – Aber was ist denn mit XYZ?!? Auf Deutsch müsste das vielleicht Wasistdennmitismus heißen, aber das ist sperrig, deshalb bleibe ich beim Anglizismus.

Das fiese am Whataboutism ist, dass die zweite Aussage durchaus wahr sein kann. Manchmal ist sie auch Blödsinn, aber oft genug stimmt sie vielleicht sogar. Da fällt man dann drauf rein und zack spricht man über ein anderes Thema.

Daran sind zwei Sachen problematisch:

  1. Wird ein Zusammenhang suggeriert zwischen beiden Fragestellungen, meist so nach dem Motto: da B auch ein Problem ist, löst sich Beschwerde über Problem A bitte in Luft auf.
  2. Die zweite Person entscheidet, dass das Thema durch ist (ganz ähnlich wie mit dem „bei mir ist das ja so“ – wenn man mal anfängt darauf zu achten, geht es in Gesprächen erstaunlich viel um Macht!). Dadurch wird die erste Person sofort in die Defensive gedrängt.

Häufig wird das benutzt, um irgendwelche Gräuel (scheinbar) zu relativieren. Aber, sad fact: man kann ruhig in Ruhe über Hitler reden, während Stalin trotzdem auch ein schrecklicher Tyrann war. Genau die Unabhängigkeit solcher zwei Themen wird beim Whataboutism unterschlagen.

Schlimm, was der Hitler mit den Juden gemacht hat. Absolut widerlich und menschenverachtend.

Jaha, aber der Stalin, die Russen, die Kriegsgefangenen, darüber redet ja niemand!

Kann faktisch sein, aber das problematische ist die implizite Botschaft, die dahinter steht:

Und weil Stalin schlimm ist, ist Hitler eigentlich halb so wild und mindestens ist es wichtiger, mal über was anderes zu reden.

Das ist sehr geschickt, um Leute mit wichtigen Anliegen mundtot zu machen.

Wir brauchen mehr Radwege! – Na, aber was ist denn mit der Denkmalpflege??

Die Küche müsste echt öfter geputzt werden. – Was ist eigentlich mit der Idee, dass wir abwechselnd Brot kaufen, das klappt ja in letzter Zeit ganz schlecht!

Einzig richtige Reaktion: Verhalten entlarven und den Pseudozusammenhang demaskieren.

Mag sein, aber ich glaube, du willst gerade mein Thema möglichst schnell zu machen. Ich wollte gerade über Radwege sprechen. Denkmalpflege ist ein eigener Punkt.

Habe ich letztens mit meiner Vermieterin gemacht. Ich habe mich über die brummende Heizung des Mieters über mir beschwert, und sie kam plötzlich damit um die Ecke, dass unser Treppenhaus zu dreckig ist.

Es hat zuerst auch geklappt, ich wollte mich gleich rechtfertigen (erster Stock, da laufen ja alle Mieter über uns auch her und verlieren denn meisten Schmutz! Unser Kind reitet!), aber hab’s dann doch noch geschafft. Fand sie nicht lustig, als ich meinte, dass sie versuchen würde vom Thema abzulenken, aber danach ging es wieder um die Heizung.

Lasst euch nicht verarschen! :)

3 Gedanken zu „Whataboutism“

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