Hello World?
Am Samstag zieht bei meiner Mutter eine sogenannte 24h-Kraft ein, also eine Pflegekraft aus Polen. Ich bin mit dieser Lösung einerseits ein bisschen unzufrieden, weil sie innereuropäische Lohnunterschiede ausnutzt, um in einem reichen Land eine gesellschaftliche Aufgabe an Fachkräfte aus einem ärmeren Land zu delegieren, und fühle mich eher gezwungen zu dieser Lösung, weil es innerhalb von Deutschland schlicht kein konkurrierendes Angebot gibt – wie auch, das wäre ja viel zu teuer um am Markt zu bestehen!
Das Andererseits ist: ich blicke voller Hoffnung auf diese Möglichkeit, dass damit diese konstante Beschäftigung mit meiner Mutter für mich zu Ende geht – sowohl direkt, weil ich momentan einfach sehr oft da bin oder zumindest mehrmals täglich mit ihr telefoniere, aber auch indirekt: die stete Sorge, die Gedanken dazu, wie ich für Sicherheit sorgen kann (Herdabschaltung, Ortungsapp, Kontrollanrufe, Nachbarn einbinden), wie ich darüber hinaus für Lebensglück sorgen kann (Kontakt ermöglichen, Hobbies stützen, Familie aktivieren, Termine planen).
Mal schauen wie es wird, aber wenn alles gut klappt, könnte ich tatsächlich zurück auf 1 – 2x die Woche besuchen und in der restlichen Zeit … würde ich dann wieder mein Leben leben können.
Ich habe da im letzten Jahr ungefähr alles schleifen lassen oder bewusst gekappt, was nicht essentiell war: Freundschaften, in denen ich nicht glücklich war: Weg. Kontakt zu Leuten, die weit weg wohnen und daher Telefonate erfordern: Beschränkt auf die 2 wichtigsten. In der Selbständigkeit: Konzentration aufs Wesentliche, statt groß zu denken und Visionen zu folgen. Hobbies: nur noch simple Videospiele, darüber hinaus kaum Sport, keine komplexen Spiele, nichts was Konzentration erfordert. In meinen Beziehungen versucht, nichts kompliziertes zu haben, sondern schön Business as usual (auf Dauer auch nicht gesund). In der Wohnung lange eher hingenommen, wie es ist anstatt daran zu arbeiten, wie es sein könnte.
Jetzt finde ich es gerade fast ziemlich daunting, dass ich wieder auftauche und mitspielen darf… Das ist zum einen gar nicht so einfach meiner Mutter gegenüber, weil es sich (trotz aller Rationalität) sehr so anfühlt, dass ich sie an eine fremde Person abgebe. Das dauert mich, und in all der Plackerei und Sorge der letzten Monate lag doch auch immer die Gewissheit, dass ich offensichtlich ein guter Sohn bin, denn ich tue das menschenmögliche. Jetzt „nur noch“ das zu tun, was mir möglich ist ohne mein Leben aufzugeben (also weniger als das menschenmögliche) ist gar nicht so einfach, und das obwohl meine Mutter mir sogar Mut macht dabei (und mich darüber hinaus als Kind selbst früh an Tagesbetreuungen gegeben hat, um arbeiten zu können).
Zum anderen ist es auch schwer, weil da gerade einfach nicht mehr so ganz viel da ist, um einfach dran anzuknüpfen… Ist ja nicht so als hätte es vorher nicht auch schon die bekannten Schwierigkeiten gegeben, mit 30-somethings befreundet zu sein, und es warten ja nicht plötzlich die Filmzirkel und Kneipenabende darauf, dass ich mal wieder Piep sage. Es bräuchte Arbeit im Außen, und vor allem auch im Innen: noch bin ich gar nicht richtig am Start für, keine Ahnung, Schritte tiefer in meine Paarbeziehung, Schritte auf andere neue Menschen hinzu, Schritte in neue Verbindlichkeiten mit Freunden.
Aber es blitzt etwas auf gerade… Mal gucken wie es losgeht. Life beckons, and I’m inclined to walk towards it.
Feylamia
sagt:a) Wenn Du mal reden möchtest, sag Bescheid. Mit dem Emotionsbonanza, das pflegebedürftige Angehörige auslösen bin ich ja vertraut.
b) Lass uns mal was spielen, wenn Du magst. b&b sind sicher gerne mit dabei.
Jan
sagt:Hej Fey, das ist voll lieb von dir, danke! Sorry dass ich jetzt erst antworte … Noch so ein Nebeneffekt. :)
Gut zu wissen, dass es da draußen Leute gibt, die ähnliches erlebt haben, das hilft ja tatsächlich schon.